Dienstag, 22. Februar 2011

Onkel Hassan holt Tante Emma zurück aus dem Altersheim


Wer von der Altstadt kommend zum Bärenpark will, wird auf der linken Seite, dort wo die Gerechtigkeitsgasse in den Nydeggstalden mündet, von Hassans kleinem Lebensmittelparadies begrüsst. Seit August 2010 ist Hassan Herr über Tausendundeins feine Produkte für Küche, Haushalt oder einem Picknick im Rosengarten.

Migros und andere Plagööris haben Tante Emma ins Altersheim verbannt. Es brauchte schon den umtriebigen Onkel Hassan aus Kirkuk, um der Tante wieder Selbstvertrauen und Lebensfreude einzuhauchen und ihr in der Gerechtigkeitsgasse 6 eine sinnvolle Aufgabe zu geben. Sein Tante-Emma-Lädeli ist nicht grösser als ein gepflegtes Rosenbeetchen. Und dennoch könnte sich ein ganzes hungriges Pfadilager darin die Bäuche vollschlagen. In der Tat ist Onkel Hassans Laden so winzig, dass jemand mit überlangen Armen aus der Mitte des Raumes jedes einzelne der vielen Produkte aus den Regalen in die Einkaufstasche stapeln könnte.

Hier gibt’s Milch, Nidle, Joghurt und Butter, Quark, Käse, Glacés und Reis, Teigwaren und Härdöpfustock, Landjäger und Minipics, Eier und Ramseier, all die feinen Dosengerichte wie Ravioli, Bohnen, Linsen und Fleischkäse, Schweizer Backwaren, wie die mit dem Mexikanerhut, diverse Schoggiklassiker, Öpfu u Bananä, Kafi-zum-Mitnä, Wein aus aller Herren Länder wie Spanien, Türkei, Schweiz und Persien, traditionelle und orientalische Gewürze, als ob sie Marco Polo von einer seiner Reisen mitgebracht hätte.

Was der gebürtige Kurde Hassan aus dem Nordirak in der Altstadt besonders berührt, ist, dass er hier eine familiäre Dorfgemeinschaft wieder findet, wie er und viele Generationen vor ihm im historischen Kirkuk bereits erleben durften. Was ihn auch an seine Heimat erinnert, sind die langen Öffnungszeiten, die der Lebendigkeit und versteckten Intensität der Berner Altstadtbewohner gerecht werden.
Schon lange wenn sich die Schatten über die Berner Altstadt legen, Coop und andere Strichcode-Junkies sich mit Sandmännchen im Bett suhlen, steht Hassan mit seiner fünfköpfigen Familie unermüdlich im Nydegg Minimarket, um die nimmersatten und anspruchsvollen Altstädter mit seinem Fleiss und seiner Liebeswürdigkeit glücklich zu machen.

Freitag, 16. Juli 2010

Freiheit

Die Philosophin Jean Hersch hat mich schon immer fasziniert. Nur, bis heute wusste ich nicht weshalb. Jetzt, wo zu ihrem 100 Todestag so viel geschrieben wurde, weiss ich es. Sie setzt sich mit dem Thema auseinander, das mich selber auch so beschäftigt. Mit dem Thema Freiheit. Freiheit als eine Art Aufgabe, Pflicht, sich mit dem Leben und seinen Möglichkeiten auseinanderzusetzen, wach und bewusst.
„Eine Kuh glotzt, aber der Mensch kann der Welt staunend und fragend begegnen, weil er eine Vernunft hat und weil er die Freiheit hat, sich zu entscheiden. Vielleicht entscheidet er nicht, aber er könnte entscheiden. In der Folge ist er auch dafür verantwortlich, wie er entscheidet.“
Ich muss da unmittelbar an Ernest Hemingway denken, der sein Leben mit fast unvergleichlichen Intensität und Freiheit gelebt hat, trotz Depressionen und Alkohol. Im Jahre 1928 hat sich Hemingway die Freiheit genommen, sein Leben zu beenden, im Alter von 61. Genauso wie sein Vater, sein Bruder, seine Schwester und seine Enkelin. Einer seiner Söhne hat sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen und starb im Jahre 201 unter dem Namen Gloria im Frauengefängnis in Miami.

Mittwoch, 10. Februar 2010

die zweitbeste business building idea

Die zweitbeste Business Building Idee stammt von ML, 34, aus Wittenberg. Seine Idee lautet, dass man in den Himmel kommt, ohne dass man dafür bezahlen muss. Quasi gratis, nicht ganz unähnlich dem Gratisinternet, im Gegensatz zur bezahlten Information, wie zB. der Tageszeitung oder den TV- und Radiogebühren.

Die Idee war so wirksam, dass die Leute bereit waren, aus ihrem Verein auszutreten, wo sie bisher für den Eintritt ins Paradies zahlen, leiden oder arbeiten mussten und in Scharen zu ML übergelaufen sind. Man kann von einem eigentlichen Tipping Point sprechen. Noch heute, 500 Jahre nach ihrer Erfindung, hat die Idee einen Marktanteil von mehr als 40% .

Es gibt Ähnlichkeiten zwischen der BBI der Katholiken dem Ablasshandel und der von ML. Beide brauchen kaum Investitionen, keine Fabriken, keine Rohstoffe, und beide haben tief Logistikkosten. Alles was es braucht ist ein hohes Werbebudget, Events, Veranstaltungen und one-to-one Marketing.

Sonntag, 7. Februar 2010

Business Building Ideas

Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem meiner Freunde - Maximo, dem besten Networker, den man sich vorstellen kann. Es gelingt ihm mit Leichtigkeit Hunderte von Leuten zusammenzubringen. Er hat ein phänomenales Namensgedächtnis und es gelingt ihm immer und jederzeit mit jedem CEO telefonisch verbunden zu werden, auch wenn ihn der CEO nicht kennt.

Man müsste nun glauben, dass einer solchen Person die Welt offen steht, dass Alles und Jedes möglich ist. Doch weit gefehlt, ohne Idee ist Networking ein hohles Gefäss. Was es braucht sind Ideen. Business building ideas. Die beste business building idea in der Geschichte der Menschheit hatte ein erfinderischer Geist im 12. Jahrhundert. Er hat eine eigentlich Geldgenerierungsmaschine erfunden - mit dem Ablasshandel

Man muss sich das vorstellen, in einer Welt, die von Angst vor der Hölle und der ewigen Verdammnis geprägt ist kommt die Kirche mit der frohen Botschaft, dass für ein paar Tausender alle schlechten Gedanken, alle bösen Taten, jeder Seitensprung, Mord und Totschlag vergeben sind und für ein paar weitere Tausender ergattert man sich ein Plätzchen auf einem schönen Wölkchen mit Aussicht.

Auf so eine Idee muss mal jemand kommen.

Sonntag, 5. Juli 2009

Füttern eines Hungrigen durch den Strohhalm







Ich las gerade eine Buchbesprechung von Malcom Gladwell im „The New Yorker“ online: „Is free the future“, über den Trend zu Gratisdienstleistungen im Internet und den Zusammenbruch der Printmedien in den USA, als mich Vincent mein Sohn unterbrach und sagt: „stell dir vor Papi, allein im Juni sind im Iraq über 400 Menschen bei einem Attentat ums Leben gekommen“.

Er war gerade daran, sich durch den Stapel von NZZ Ausgaben durchzulesen, den er aus Zürich mit nach Graubünden gebracht hatte und für die er während der Woche keine Zeit fand, wegen allen möglichen Dingen und Beschäftigungen: Computer, Freunde, Hausaufgaben.

Es war übrigens nicht mein Stapel NZZ. Ich selber habe mein NZZ Abonnement schon lange gekündigt, weil ich die Nachrichten online beziehe, kostenlos und breiter abgestützt. Es war die NZZ, die ihm meine Tochter zum reduzierten Studententpreis abonniert hat.

Gemäss Alter und Verhalten ist Vincent ein typischer Digital Native, ausgerüstet mit Laptop, Handy und einem reichen Set an Computer Software, vernetzt mit der ganzen Welt. Als Leser eines Printmediums, und dann noch der NZZ gilt er allerdings als Digital Immigrant, wenn nicht sogar Fugitive.

Zeitunglesen hat er im Tram gelernt, bei 20 Minuten. Doch heute mag er 20 Minuten nicht mehr. Er vergleicht 20 Minuten mit dem Füttern eines Hungrigen durch einen Strohhalm.

Ja vielleicht wird die gedruckte Zeitung eines Tages verschwinden, nicht aber der Hunger nach Wissen, nach Information und dieser Durst wird eine Gratiszeitung oder ein billiges Online Produkt niemals befriedigen können. Qualität wird immer gefragt sein. Qualität gibts nicht zum Nulltarif.

Montag, 8. Juni 2009

Guerilla en tailleur



















Maria Roth-Bernasconi hat ihr Leben lang für die Rechte der Frau gekämpft, in unterschiedlichen Funktionen; als Grossrätin im Kanton Genf und als Zuständige für die kantonalen Büros für Gleichstellung. Als Nationalrätin hat sich ihre Kampfzone ausgeweitet, aber ihre Waffen sind dieselben geblieben. Es ist nicht die Granate, sondern Rosen und Lavendel, nicht Zynismus, sondern ihre Leidenschaft zum Spiel. „Man hält Bern nur dann aus, wenn man es wie ein Spielfeld anschaut, und nicht wie ein Schlachtfeld“.

Sie ist ein General, wenn es um Strategien geht und ein Kumpel bei der Ausführung.

„Wir sind noch lange von der Vision Séguelas entfernt, dem Werber und Berater Mitterands, der meint das dritte Jahrtausend ist das Jahrtausend der Frau, oder es gibt kein drittes Jahrtausend.

„Die Bedeutung der Frauen kann man vielleicht am Besten am Beispiel der Entwicklungsländer zeigen, wo die Frauen einen wesentlichen Anteil am Frieden haben, in der Familienversorgung, in der Bildung, im Kleinkreditwesen und in Kleinunternehmen.

In der Schweiz hat sich vieles verbessert, aber grundsätzliche Rechte der Frauen werden nach wie vor ignoriert. Vom Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sind wir noch weit entfern. Frauen werden für gleiche Arbeit im Durchschnitt 20% weniger entschädigt als Männer. Etwa 40% davon ist auf direkte Diskriminierung zurückzuführen. Wenn wir Séguelas Vision auch in der Schweiz realisieren wollten, müssten man dies über Quotenregelungen machen“.

Maria Roth-Bernasconi setzt sich zwar für die Rechte der Frau ein, meint aber nicht, dass es die Jungs einfacher haben. Der Rollenzwang lässt ihren weiblichen Seiten keinen Raum. Für sie ist auch klar, dass die jetzige Finanzkrise kein solches Ausmass angenommen hätte, wenn mehr Frauen an der Spitze von Grossbanken gestanden hätten. „Es ist die Vielfalt der Ideen und Herkunft, die zu richtigen Entscheidungen führt. Die Monogamie innerhalb des Bodies der CEO‘s hat zu gewaltigen Fehlentscheidungen geführt“.

Auf die Frage, was für sie Heimat ist meint sie: „Es ist Genf, mein Haus in Genf, das Zwitschern der Vögel, mein Mann“, aber uns scheint es, dass sie es sehr schätzt regelmässig nach Bern zu reisen, einem Ort, den sie vielleicht nicht mit Heimat verbindet, aber mit Unabhängigkeit.

Es ist eine bemerkenswerte Eigenschaft von uns Menschen, dass wir unsere bestgehüteten Geheimnisse eher fremden Menschen anvertrauen, als den nahestehenden. So hat uns Maria Roth-Bernasconi ihr Geheimnis anvertraut, in der Gewissheit, dass wir sie nicht verraten würden. Ein Wort ist ein Wort.

Maria Roth-Bernasconi meint dass der Druck auf die Parlamentarier durch die neuen Medien, Blogs, Emails, facebook und die ständige Forderung über alle Kanäle erreichbar zu sein gestiegen ist. Die ehemalige Krankenschwester hat die Kraft der Kommunikation auf die harte Art entdeckt. Im Jahre 1999 wurde sie nach einer Legislaturperiode im Nationalrat abgewählt. „Ich habe erkannt, dass es nicht reicht, für seine seine Ideale im Parlament zu kämpfen. Man muss für sich Bekanntheit schaffen.
Es ist bezeichnend dass sie uns nach der Wirkung der Werbung befragt hat: „Sagen Sie bringt diese viele Werbung auch tatsächlich etwas?. (Ja. Ohne Werbung gäbe es keine Sunrise, Orange oder 1818 Telefonauskunft).

Vielleicht kann man die Wirkung von Kommunikation am besten am Beispiel von Van Gogh und Picasso aufzeigen. Die Preise für ihre Bilder sind ins Unermessliche gestiegen. Van Gogh aber hat zu seinen Lebzeiten kein einziges Bild verkauft, ganz im Gegensatz zu Picasso, der nicht nur Künstler war, sondern ein eigentliches Ein-Mann Kommunikationsunternehmen.

Dienstag, 26. Mai 2009

Ein ganz gewöhnlicher Dienstag.

















Die Erde hat seit ihrer Entstehung Hunderte von Milliarden von Umdrehungen gemacht, jede siebte an einem Dienstag. Es wird erwartet, dass sich dieses Ereignis noch Milliarden von Malen wiederholen wird. Nichts Besonderes also.

Wohl um die 250 Tausend Menschen haben heute morgen in Zürich HB den Zug bestiegen, davon etwa 130 Personen den Zug um 08.04 nach Lausanne. 25 Menschen sind in Aarau ausgestiegen und einer hat den Anschlusszug nach Däniken genommen, um 08.40. Das war ich. Ich bin etwas Besonderes. Obwohl die meisten Dinge, die ich tue völlig belanglos sind. Ich schlafe, ich fahre zur Arbeit, ich esse, ich schaue fern, ich höre Radio, lese gelegentlich die NZZ und manchmal 20 Minuten, gehe ins Kino, selten ins Theater. Ich lese. Ich mach Wintersport und Städtereisen. Ich spreche mit anderen Leuten, wie Millionen von anderen Menschen auch.

Und dennoch denke ich, dass ich ein besonderer Mensch bin. Ich bin Werber. Ich hab ein Segelboot auf dem Zürichsee. Meine Frau kommt aus Paris und ich habe sowohl einen Schweizer Pass als auch einen Französischen. Ich bin Präsident einer gemeinnützigen Stiftung. Ich schreibe einen Blog. Ich habe eine Firma gegründet.

Dies alles steht in meinem CV und in meinem Profil. Die Dinge also, die mich von der Masse abheben, obwohl sie nicht im Geringsten das beschreiben, was ich die meiste Zeit auch tatsächlich tue.

Wir hassen den Gedanken daran, gewöhnlich zu sein und lesen deshalb „20 Minuten“. Sie weckt die Illusion, dass dieser heutige Dienstag ein ganz spezieller Tag ist und dass wir alle auserkoren sind, irgendwann einmal Hauptdarsteller einer grossen Inszenierung zu sein, mit Schlagzeilen wie: Teenager: pro Tag 100 sexuelle Uebergriffe. Mister Schweiz: André ist schon erfolgreicher als Renzo. French Open: Federers Spaziergang in die 2. Runde.

Wie schön, dass es „20 Minuten“ gibt. Wir sind etwas Besonderes und heute ist ein ganz besonderer Dienstag.

Mittwoch, 20. Mai 2009

Lilly Blümlein
















Ich war gestern dabei, das Interview mit der Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi vorzubereiten, das Dr. Strangelove und ich in der Sommersession rund um die These vom Werber und Chairman der EURO/RSCG Gruppe Jaques Séguela führen, der sagt: das Dritte Jahrtausend ist das Jahrtausend der Frau oder es gibt kein Drittes Jahrtausend, als Lilly Blümlein, meine Büronachbarin hereinkommt.

Sie hat vor 2 Jahren ein Beratungsbüro für Geschäftsreisende gegründet und führt heute 7 junge Mitarbeiterinnen und einen Mitarbeiter. Lilly ist eine attraktive und gewinnende Frau, um die Dreissig, mit einem strahlenden Lachen und Interessen, die weit über‘s Reisen hinausgehen. Sie hat mich gebeten, einen Brief an CEOs von Schweizer Unternehmen dramaturgisch zu inszenieren. Ich nenne das: sex-it-up.

Gestockt habe ich dann, als ich den Abschluss des Briefes las. Bei Fragen wenden Sie sich an unsere Sachbearbeiterin Lilly Blümlein. Mit freundlichen Grüssen, Luz Rottweiler, Geschäftsführer.

„Aber Lilly, wer ist denn der Rottweiler“?

„Ah, weisst du, das mach ich immer so, bei wichtigen Briefen. Die Schweizer CEO‘s sind irritiert, wenn sie von einer Frau beraten werden. Aus diesem Grund lasse ich wichtige Briefe von meinem IT Supporter unterzeichnen. Mir fällt kein Stein aus der Krone. Und glaube mir, es funktioniert besser so. Mir gehts um‘s Geschäft, nicht um‘s Ego“.

Ich habe an Séguela gedacht und angefangen, mir Sorgen um das Dritte Jahrtausend zu machen. Dann allerdings kam ich wieder zu mir: Das Dritte Jahrtausend hat ja erst gerade angefangen. Das Beste kommt wohl erst noch.