Mittwoch, 31. Dezember 2008

Anlagestrategie 2009










Ich liebe meinen Anlageberater. Er ist witzig, interessiert, kompetent, engagiert. Ein Profi. Und ich vertraue ihm, blind, wie meinem Arzt, meinem Automechaniker oder meinem mobilen Spülmaschinentechniker.

Im August 2008 hat er mich zum Essen eingeladen und meint: Kurt, die Zinsen steigen. Ich rate dir deine variable Hypothek von 3.2% in eine 10-jährige Fixhypothek von 3.9% umzuwandeln. Natürlich bin ich seinem Rat gefolgt. Ich nehme ihm das auch nicht übel. Obwohl er allen Dingen falsch lag; was die wirtschaftliche Entwicklung anbelangt, die Entwicklung des Oelpreises, die Währungsentwicklung, die Börsenentwicklung, die Stabilität des Bankenplatzes Schweiz. Der Zinssatz für eine variable Hypothek liegt heute übrigens bei 2,8%.

Wer seine Geldfragen lieber Online regelt, dem steht der virtuelle Anlageberater von „Cash“ zu Diensten. Ich habe ihn befragt und er empfiehlt mir für 2009 folgendes: 20% Aktienfonds, 60% Obligationenfonds, 5% Geldmarktfonds und 5 % Immofonds. Dieselbe Empfehlung wie vor der Finanzkrise.

Die Anlagestrategie von „Focus“ ist cleverer. Sie sieht 3 Szenarien vor: schwere Rezession, mittelschwere Rezession und das Ende der Rezession. Auswählen darf man selber.

Ich kann verstehe, dass unter diesen verwirrenden Umständen die merkwürdigsten Nebenwirkungen eintreten können, dass man nachts schweissgebadet aufwacht, mit Gedanken, dass man an einem Tag mehr Geld für das norwegische Luxus Mineralwasser Voss ausgegeben hat als das gesamte Budget der Eltern für die Sommerferien.

In diesen Fällen gibt’s eine alternative Anlagestrategie. Es erstaunt mich. Niemand spricht darüber. Es gibt kaum Literatur drüber. Es gibt dafür keine Online oder Anlageberater. Diese Anlagestrategie benötigt keine Analysten, keine Computermodelle, keine Nobelpreisträger für Mathematik. Sie ist 100% transparent, 100% wasserdicht, krisenresistent, nachhaltig und verspricht nicht nur einen garantierten R.O.I., sondern bietet auch 100% Kapitalschutz, auch dann wenn die Hausbank Konkurs geht. Es ist die beste, ergiebigste, und erfüllendste Anlage. Es ist die Anlage in Freundschaften und Beziehungen. Betrachten wir das Jahr 2009 als das Jahr der Freundschaften.

Die Anlage in Freundschaften hat noch weitere positive Nebeneffekte. Man verbringt weniger Zeit im Wirtschaftsteil der NZZ oder Internet und hat dafür mehr Zeit fürs Gespräch, für Musik, fürs gegenseitige Vorlesen. Der gesunde, erholsame Schlaf kehrt zurück. Die Fresssucht verschwindet. Die Zigaretten gehen baden, in der Toilette. Die Libido steigt. Der Bauch geht Weg. Die Haut wird wieder sanft und geschmeidig und die gesunden roten Backen kehren zurück.

Samstag, 27. Dezember 2008

Fs. Das entzauberte Jahrzehnt


Wer sind die Magier des kommenden Jahrzehnts?

Wir selber? Die Supergirls und Superboys auf tillate oder girls gone wild, mit ihrer Freude an der Selbstdarstellung? Vielleicht. Für genau 30 Sekunden.

Ich sehe die wahren Magier woanders. Für mich sind es die Wissenschaftler, Forscher und Ingenieure, die neue Energiequellen erschliessen und Produkte erfinden, die uns neue Lebensqualität bringen, ohne unseren Planeten zu belasten.

Und wenn ich einzelne Menschen herausgreifen wollte, dann wäre es wohl Jimmy Wales, der Gründer von Wikipedia mit seiner Vision einer Welt in der jeder Mensch auf der Erde freien Zugang zum gesamten menschlichen Wissen hat.

Oder Bill Gates und Warren Buffet, die gemeinsam 60 Milliarden Dollar in eine Stiftung eingebracht haben, welche sich die Bekämpfung und Behandlung von Krankheiten auf der ganzen Welt zur Aufgabe gemacht hat. Al Gore, der mit seinem Film, „An Inconvenient Truth“ uns das noch wenig Sichtbare der Klimaerwärmung so drastisch vor Augen geführt hat, dass der Klimawandel nun ganz oben auf die Weltagenda steht.

Vor allem aber sind es die Eltern und Lehrer, die an die Zukunft glauben und mit Engagement Kinder und Jugendliche zu selbständigem Denken anregen, ihre Freude am Gestalten fördern und ihnen den Reichtum von Lebensweisen und Kulturen nahebringen.

Donnerstag, 25. Dezember 2008

Fs. Das entzauberte Jahrzehnt

Bei mir kommt keine Schadenfreude auf.

Denn auch die Werbebranche wurde vom Sockel gestossen. Vor 50 Jahren hat der amerikanische Soziologe Vance Packard mit seinem Bestseller „geheime Verführer“ den Mythos der Werber geschaffen, die unterschwellig die Bedürfnisse der Konsumenten manipulieren. Die grossen Werbeagenturen galten von da an als die Magier der Images, denen es gelingt die Leute zu verzaubern und so die grossen Marken zu schaffen; wie Coca Cola, Pepsi Cola, von Ford, McDonalds, Marlboro, Pampers, Jack Daniels, Channel 5, Nescafé, usw.

Heute sieht das Bild anders aus. Kürzlich hat mir ein Kollege und CEO einer der grössten Agenturen gesagt; „meine Kunden wissen alles besser und stellen alles was ich sage in Frage“.

Kein Wunder. Der Aktienkurs der Werbeholding Interpublic Group of Companies, des im Jahre 1996 drittgrössten Werbekonglomerats ist von damals 60 Dollar auf heute 4 Dollar zerfallen. In einer unglaublichen Orgie der Selbstüberschätzung hat die IPG mit geliehenem Geld ein bröckelndes Empire von Agenturen zusammengekauft, nur um an der Börse Wachstum vorzutäuschen und so den Kurs in die Höhe zu treiben. So sind die Boni der CEO’s der Werbeagenturen in astronomische Höhen geklettert. Nicht weil sie einen tollen Job für ihre Kunden gemacht haben, nicht weil sie eine kraftvolle Vision hatten, sondern allein deshalb weil der Aktienkurs dank Zukäufen gestiegen ist. Die Begeisterung dafür den Kunden zu Wachstum zu verhelfen ging verloren und damit auch der Glaube und der Respekt an der Werbebranche.

Die Frage ist jetzt natürlich, wem können wir denn noch Glauben schenken. Wer sind die Magier des kommenden Jahrzehnts?

Fortsetzung folgt

Montag, 22. Dezember 2008

Das entzauberte Jahrzehnt



geblendet und verführt

Am 11. Dezember 2008 wurde der 70-jährige Bernard Madoff in seinem Manhattan Apartment verhaftet. In der amerikanischen Presse wird er als der grösste Betrüger in der Geschichte von Wall Street klassiert. Bis zum 11. Dezember allerdings galt er als das grösste Finanzgenie der Menschheit. Was für ein Wandel. Wer bei ihm anlegen durfte, glaubte in die Ivory League des Finanznirwanas aufgenommen worden zu sein. Hunderte von Privatpersonen, Pensionskassen und Hilfsorganisationen haben schätzungsweise 50 Milliarden Dollar verloren. Das ist so viel wie die gesamten Jahreseinnahmen des Bundes im Jahre 2007.

Nein, es waren nicht die kleinen Leute, die sich jede Woche von einem Lottogewinn locken lassen. Es waren die Grossen und Gebildeten, die UBS zum Beispiel mit ihren Hunderten von Analysten. Keiner hat ihn hinterfragt, auch nicht der ehemalige Generalstaatsanwalt und Gouverneur von New York, Eliot Spitzer, der den Vorsitzenden der New Yorker Börse Richard A. Grasso wegen Amtsmissbrauch zu Fall gebracht hatte, und der selber bei Madoff Millionen verloren hat. Der Glaube an den Magier Madoff war schon fast kindlich.

Wir erleben in diesem Jahrzehnt den Niedergang einer ganzen Branche von Magiern, für die wir unseren gesunden Menschenverstand aufgegeben haben. Angefangen hat es mit der Entzauberung von McKinsey, „trusted advisor and counselor“, wie sie sich bezeichnen, die mit ihrer Hunterstrategie und ihrer Präsentationsmagie, mit dem sie den VR der Swissair geblendet haben, den Niedergang der Swissair ausgelöst haben. Einst galten sie als geachtete Propheten der Wirtschaft, heute gelten sie als extrem störungsanfällig.

In diesem Jahr verloren die Banken ihren Glamour und ihren Zauber. Marcel Ospel, der allerseits gefeierte und gefürchtete Wizzard, der noch im Jahre 2005 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Rochester geehrt wurde, ist tief gefallen, als er im Oktober 2008 aus der Kronenhalle verbannt wurde. Bei mir kommt allerdings keinerlei Schadenfreude auf....

Fortsetzung folgt

Samstag, 20. Dezember 2008

It takes a village


Die Finanzlage des Staates Kalifornien ist katastrophal. Arnold Schwarzenegger hat heute seinen 235000 Mitarbeitern pro Monat 2 Tage unbezahlten Urlaub verordnet. 235000 Menschen, das ist die Einwohnerzahl der beiden Städte Genf und Bern zusammengenommen.
Nachdem die Entwicklung in der Schweiz der in Amerika hinterherhinkt, werden wohl auch Schweizer Unternehmen bald Kurzarbeit verordnen. Schön, wenn die Wohngemeinde dann mehr ist als bloss eine Steueroase, mehr als bloss ein Wirtschaftsraum, mehr als ein Marktplatz - ein Lebensraum.

Ich habe da an Fanas gedacht, an die kleine Gemeinde im Prättigau wo wir unsere Wochenenden verbringen und manchmal unsere Ferien. Fanas hat knapp 400 Einwohner und pro Kopf mehr Vereine und Aktivitäten als zum Beispiel die Steueroase von Christoph Blocher, Roger Federer oder Marcel Ospel, die ihren Wohnort aufgrund der Steuerhöhe ausgesucht haben und sonst wohl nur wenig Bezug zur Gemeinde haben.
Eine der Bräuche in Fanas um Weihnachten ist das offene Haus, bestimmte Tage wo man die Nachbarn zu sich nach Hause einlädt, zu Glühwein, Tee, Kaffee. Jeder ist eingeladen. Jeder ist willkommen. It needs a village.

Freitag, 19. Dezember 2008

The best is yet to come

„We are fortunate to be alive at this moment of history“, sagte Präsident Bill Clinton zum Auftakt des anbrechenden Jahrtausends und versprach: „the best is yet to come.“

Und jetzt erleben wir eine erneute Finanzkrise, kaum 10 Jahre nach der letzten, die in Asien ihren Ursprung nahm und damals als die schlimmste der letzten 50 Jahre galt. In England rechnet man damit, dass die Arbeitslosigkeit innerhalb von 2 Jahren von 1.8 Millionen auf 3 Millionen ansteigen wird.

The best is yet to come? Reiner Zynismus? Ein Politiker Trick vielleicht? So denkt Jemand, der damit zurechtkommt, wenn sich die Lebensbedingungen ändern und daraus das Beste macht. Nutzen wir die nachhaltigste Energiequelle, unsere Kreativität für einen Lebensstil, wo echte Freundschaften wichtiger sind als die Höhe des Bankkontos, wo wir die Freude an der Vielfalt menschlicher Kulturen und Lebensformen entdecken und daraus lernen. Wo wir selber schöpferisch sind und wo wir an die Zukunft glauben und daran, dass wir auf unserem kleinen Planeten etwas bewegen können.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Das Beste kommt noch


"....da ward ein großes Erdbeben, und die Sonne ward schwarz wie ein härener Sack, und der Mond ward wie Blut; und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde...."

Man braucht heute nicht mehr die Apokalypse zu lesen, wenn man Lust auf ein Endzeitszenario hat. Der „Spiegel“ zum Beispiel schreibt die neuste Version der Apokalypse gleich wöchentlich.

Angenommen wir würden auf eine Insel verbannt, und das einzige Informationsmittel wäre der „Spiegel“, wir hätten wohl kaum mehr Lust in die Zivilisation zurückzukehren. Kein Wunder gelten Journalisten als besonders gefährdet was depressive Erkrankungen anbelangt.

Fortsetzung folgt.

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Angst und Sorgen

Seit 1976 publiziert die Credit Suisse das Sorgenbarometer der Schweiz. 1008 Personen werden jedes Jahr in ein Sorgenbad getaucht und so lange getränkt bis sie ihre Sorgen feinsäuberlich katalogisiert haben.

Stellen wir uns vor, was möglich würde, wenn die CS genau so viel Geld und Engagement in ein Freudenbarometer investieren würde.

In diesem Jahr wurde einmal mehr die Arbeitslosigkeit auf Platz 1 der vielen Sorgen der Schweizer gesetzt. Gleichzeitig zeigt die Parallelstudie der CS, dass eines der meist genannten Attribute der Identität der Schweiz Sicherheit ist.

Wie kommt es, dass in einem Land, das wir als so sicher einstufen, so viel Angst und Sorge herrscht? Vielleicht deswegen, weil Leute, die sehr viel Angst haben ein so grosses Bedürfnis nach Sicherheit haben? Nach Etwas also dass es eigentlich gar nicht gibt?

Freitag, 12. Dezember 2008

Die Jagd nach Prognosen

Eine der ausgefeiltesten Techniken der Prognosen im dritten vorchristlichen Jahrtausend war die Vorhersage anhand der Betrachtung der Eingeweide speziell dafür geschlachteter Opfertiere. Seit Menschengedenken sind wir süchtig danach die Zukunft voraussagen zu können. Die Technik hat sich verbessert. Die Trefferqualität kaum. Und dennoch lesen wir Voraussagen mit einer Inbrunst, als ob unser Leben davon abhinge.

Eine Studie hat gezeigt dass man sich bei Anlageprognosen ebensogut einer Horde von Affen anvertrauen kann. In der Trefferqualität liegen sie nicht weit weg von hochbezahlten Marktanalysten.
Die einzige Art und Weise, die Zukunft vorauszusagen ist sie zu gestalten.
John F. Kennedy: „I believe that this nation should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of landing a man on the Moon“ - and it happened.

Martin Luther King: „I have a dream that my four children will one day live in a nation where they will not be judged by the color of their skin but by the content of their character“ - and it happened.
Nachdem sich sowohl die Prognose als auch die Vision mit der Form der Zukunft auseinandersetzen. Wo liegt ist der Unterschied. Die Vision ist ein Bild der Zukunft, das sich aus den Möglichkeiten und Fähigkeiten entwickelt die uns als Menschen zur Verfügung stehen, unabhängig von den Umständen, in denen wir uns befinden. Aus der Vision heraus wird alles möglich. Die Landung auf dem Mond. Ein schwarzer amerikanischer Präsident, das Ende des Hungers, eine intakte Welt für unsere Kinder.

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Anyone can cook


Damit verführt der Star-Koch Auguste Gusteau im Pixar Film „Ratatouille“ einfache Bürger zum stilvollen Kochen. Für den Gastrokritiker Anton Ego ist Gusteau allerdings ein Scharlatan, ein Populist und Verräter an der Kochelite. Mit spitzer Feder zerstört er erst Gusteau’s Ruf und dann sein Leben. Gusteau’s Begeisterung ist dem freudlosen Asketen Anton Ego ein Dorn im Auge. Doch ausgerechnet die Ratte Rémy fühlt sich von Gusteau’s Aufforderung angezogen und kocht. Göttlich.

Anyone can cook ist ein Wake-up Call für all diejenigen, die ihr Talente haben verkümmern lassen, weil sie sich von einem „Anton Ego“ haben kastrieren lassen, sich nichts mehr zutrauen und schlussendlich zu passiven „20 Minuten“- lesenden Couch Potatoes verkümmern, zu Statisten und Apparatschiks in ihrem eigenen Leben.

Der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker Sir Simon Rattle zum Beispiel hat mit anscheinend chancenlosen Losern aus den Ghettos von Berlin eine Musik- Tanzperformance geschaffen dass es einem die Tränen in die Augen treibt. Siehe Film „Rhythm is it“.

Oder meine Freundin Vahaira, die in den Slums von New York mit jugendlichen Dropouts Theater macht, so gut, dass es einem kalt den Rücken hinunter läuft. Anyone can cook.
Wie viele Leute habe ich in Werbeagenturen kennengelernt, die einmal mit Begeisterung geschrieben haben, gelesen, gemalt, ein Musik Instrument gespielt haben und dann einem Anton Ego begegnet sind, der ihnen die Cojones abgeschnitten hat. Wie vielen Leuten hat man die Freude an der Arbeit genommen, weil man ihre Kreativität und ihren Ausdruck hat verkümmern lassen. Und sie haben das zugelassen. Da kann ich nur sagen, erobern wir den Raum zurück. Anyone can cook.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Die Mauer muss weg


Ken Livingstone, ex-Bürgermeister von London gilt als einer der bedeutendsten Förderer des kreativen Londons. Er hat als einer der Ersten die Bedeutung von Kreativität als Wirtschaftsfaktor erkannt und so dem kreativen Boom zu mehr Nachhaltigkeit verholfen. Als Ursache und Antrieb von Kreativität hat er die kulturelle Vielfalt von London erkannt.
„The core of our cultural and social policy for the last eight years has been clear and simple – whatever our origins, whatever we want to do with our lives, whatever music we like or what we want to eat, we are all Londoners. Whatever our backgrounds –old or young, Christian, Hindu, Jew, Muslim, British, Asian, African, male or female, straight or gay – there is a great sense of being Londoners.“ Heute gilt London als kreatives Mekka für eine ganze Reihe von Branchen, die Musikindustrie, die Filmindustrie, die Werbung, die Mode, ja selbst die Gastronomie.

Die Schweiz hat ebenfalls ein gewaltiges Potential an kultureller Vielfalt. Doch es ist nicht gelungen, dieses Potential wirkungsvoll in kreative Energie umzuwandeln und als Wirtschaftsfaktor zu nutzen. Die Schweiz steht für Perfektion, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Fleiss, Sorgfalt, Geld. Diese Werte gelten geradezu als Bauplan für unsere Lebens- und Verhaltensweise. Sie bilden die Grundlage für Politik und Erziehung. Im Einklang und in Wechselwirkung damit ist unser Wirtschaftsgebilde entstanden; die Banken, die Maschinenindustrie, Pharmaunternehmen, Uhrenindustrie.
Woher kommt es, dass trotz der besten Talente und guter Voraussetzungen der kreative Boden in der Schweiz so steinig ist? Fehlt uns ein Ken Livingstone? Was wäre, wenn charismatische Menschen wie Christoph Blocher sich statt für Ausgrenzung für kulturelle Dynamik stark machen würden, für Kreativität und Kunst. Oder noch besser, wenn eine breite Bewegung entstünde, die wie 1989 in Deutschland die Mauer zum Einsturz brachte.

Dann würde die Schweiz vielleicht zum Zentrum für Mode und Design statt nur gerade Produktionsstandort für erstklassige Qualitätstextilien. Dann wäre die Schweiz vielleicht ein internationaler Entwicklungsstandort für Werbung und würde im gleichen Atemzug genannt, wie London, Hamburg und New York. Dann hätten wir eine Filmindustrie, die international Zeichen setzen würde.

Ist dies möglich? Kein Zweifel, aber es braucht etwas Zeit und Ausdauer und Leute die sich dafür engagieren. Kultur und Kreativität darf nicht mehr nur das Anliegen einiger weniger Institutionen sein, wie der Kulturförderung. New-Ecology stellt sich in den Dienst einer Bewegung, bei der es darum geht, neue Energiequellen zu erschliessen. Und die grösste nachhaltige Energiequelle ist nun mal die Kreativität. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir die kulturelle Vielfalt nutzen, statt sie einzudämmen. Wir haben uns einiges Vorgenommen. Die Mauer muss weg – dafür engagieren wir uns. Dafür setzen wir uns ein.

Samstag, 6. Dezember 2008

Bin mal kurz weg

Kürzlich habe ich das Buch „bin dann mal weg“ vom deutschen TV Komiker Hape Kerkelin gelesen. Er erzählt, wie sehr er sich eine Pause wünschte und sich kurzfristig dazu entschloss eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostella zu unternehmen. Mir ist dabei aufgefallen, wie viele Bücher über den Jakobsweg geschrieben wurden. Auf Amazon habe ich allein in deutscher Sprache Dutzende von Büchern über den Jakobsweg gefunden.

Die berühmteste Erzählung einer Pilgerreise sind die Canterbury Tales von Geauffrey Saucer aus dem 14. JH. Er erzählt die Wallfahrt einer Gruppe von Männern und Frauen nach Canterbury und die Geschichten die sie sich unterwegs erzählen über Sex und Geld, Familienstreitigkeiten, luxuriöse Wünsche und Zank zwischen listigen Priestern und naiven Klosterschwestern. Pasolini hat mit den „Canterbury Tales“ im Jahre 1971 Filmgeschichte geschrieben.

Ich denke immer häufiger daran, dass Saucer vordergründig zwar eine Pilgerreise beschrieben hat, aber eigentlich hat er einen möglichen Lebensentwurf entwickelt. Dieser Entwurf steht im Gegensatz zum Lebensplan der unserem Verhalten heute zugrunde liegt, als dem Bild vom Leben als globalen Kampf um Selbstbehauptung, Vorrecht, Vormacht.

Saucers Lebensentwurf ist umsetzbar. Es ist dass Bild davon, dass unser Leben eine Reise ist, eine Reise die von Begegnung und Trennung geprägt ist. Begegnungen können wenige Minuten dauern, wie ein Kontakt auf Facebook oder über Jahrzehnte bestand haben. Die Lebensqualität kommt nicht vom Status oder den Souvenirs die wir unterwegs ansammeln sondern von der Gastfreundschaft, dem Reichtum der Begegnungen und von der Bereitschaft seine Lebensgeschichte mit anderen zu teilen. Die Freude kommt vom Interesse und der Neugierde and der Lebensgeschichte eines Mitreisenden. Und schlussendlich - was bleibt am Ende der Reise wenn nicht die Geschichten, die man zu erzählen hat von Begegnung und Anteilnahme, von Liebe und Trennung, von Freude und Trauer.

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Das letzte Abenteuer

Mich begleitet eine lebenslange Faszination für die Entdecker dieser Welt; für Pytheas, Columbus, Marco Polo, Vasco da Gama, Shackleton, Cook, Amundsen, Scott, Edmund Hillary, Humboldt, die 3 Generationen Piccard. Sie sind meine Helden und Vorbilder. Ich war begeistert von ihren Berichten. Gleichzeitig aber hat mich beim Lesen immer ein Gefühl des Bedauerns befallen. Darüber, dass es auf der Erde keinen einzigen Flecken mehr gibt, der nicht in Besitz genommen wurde. Jede Ecke wurde kartografiert, beschrieben, erstiegen, fotografiert.

Heute sass ich im Zug und dachte an die entschlüsselten Mysterien unserer Erde und daran wie bitter es ist dass es mir nicht erlaubt war mehr über andere Kulturen, Menschen und ihre Geschichten zu erfahren. Wie ich so nachsinne, fragt ein älterer dunkelhäutiger Mann, ob noch ein Platz frei sei. Eine Frau rückt widerwillig zur Seite und auch ich zögere bevor ich meine Taschen abräume. Ich weiss nicht mehr, wie wir ins Gespräch gekommen sind. Bald aber erzähle ich von der Schweiz mit ihren 4 Sprachen, dem Röstigraben und dem besonderen Status der Schweiz in der internationalen Staatengemeinschaft.

Siri ist Software Ingenieur aus Hyderabad. Die Temperatur kann dort bis auf 50 Grad steigen. Sauberes Wasser ist rar und für viele der 6 Millionen Einwohner kaum verfügbar. Er erzählt mir von seiner arrangierten Heirat, dass er seit seiner Scheidung sehr unglücklich ist, vor allem weil er seine Kinder kaum mehr sieht. Sein Sohn arbeitet in New York bei IBM und seine Tochter als Aerztin in Kanada. Er erzählt mir, dass er nicht weiss, wie Fleisch schmeckt. Dass Indien 21 Amtssprachen hat und sich aus 600 Stämmen zusammensetzt und dass das pro Kopf Einkommen trotz enormem wirtschaftlichen Erfolg bloss 800 Dollar beträgt.

Und wie ich so zuhöre denke ich welch ein Irrtum es war zu glauben, dass es in der Schweiz nichts mehr zu entdecken gibt. Ich habe meines Wissens noch nie mit einem Muslim gesprochen. Ich kenne keine Superreichen, keinen Bankier, der in der Finanzkrise sein Vermögen verloren hat. Ich kenne Niemanden der im Gefängnis gesessen ist. Ich weiss nicht, wie es sich anfühlt, wegen seiner politischen oder religiösen Ansichten verfolgt zu werden. Ich kenne niemanden der Kamasutra praktiziert oder Exorzismus. Ich kenne keinen orthodoxen Juden. Und dennoch gibt es all diese Leute und Praktiken in unserer nächsten Umgebung in der Schweiz.

Ja es ist wahr. Die Schweiz ist so ein sehr reiches Land.

Dienstag, 2. Dezember 2008

Ein Muffin für Zwei

Unser Staatswesen funktioniert fast reibungslos. Unsere Institutionen werden immer besser, effizienter, fast ohne unser Dazutun. Ab und zu erleben wir eine Krise; den e-bubble, die Finanzkrise, den 11. September, Irak, Darfour. Aber auf unsere Anspruchshaltung hat dies keinen grossen Einfluss. Uns geht es gut in der Schweiz. Wir haben eine der reichsten Volkswirtschaften, mit guten öffentlichen Schulen, effizienten Verkehrsmitteln. 

Viele von uns sind aufgrund einer Laune des Schicksals gerade in diesem reichen Land zur Welt gekommen. Die Wahrscheinlichkeit in den Slums von New Delhi oder Mumbai oder als Landarbeiter in irgendeiner chinesischen Provinz geboren zu werden, ist signifikant grösser. 
Dieses Leben hat allerdings einen Hacken, der anfänglich - wie das Rauchen - nicht auffällt. Es ist langfristig ungesund. Wir sind nicht mehr schöpferisch. Wir haben unsere Anliegen an die Experten delegiert; die Politiker, die Medienschaffenden, die CEO's in der Wirtschaft, so dass wir uns dafür umso intensiver um unsere eigenen Anliegen kümmern dürfen. Wir wissen aber alle, dass dieser Rückzug unseren Lebensraum schrumpfen lässt und belangloser macht. 

Ich habe in New York Amie getroffen. Sie hat gerade ihr Wirtschaftsstudium angefangen und erzählte mir, dass sie kürzlich einen Obdachlosen getroffen hat, wie er hungrig in das Schaufenster eines Lebensmittelgeschäftes geschaut hat. Sie hatte gerade einen Muffin gekauft und freute sich, diesen zu verschlingen. Bisher habe sie geglaubt, Obdachlose wären Sache der Behörden. Doch an diesem Abend hat sie anders gedacht und gefragt: "are you hungry?" und hat ihm ihren Muffin geschenkt. Der Mann hatte jetzt einen Muffin, die Amie aber Freude über diesen Abend hinaus. Wer weiss, vielleicht hat dieser Muffin gar ihr Leben verändert.

Geschwindigkeitslehre: They must go...



Das Menschenrecht auf Leichtsinn lässt sich zu keiner Zeit unterdrücken. Das auf Ideologie leider auch nicht.

Der mathematische Bluff, die Elektronisierung des Weltverkehrs und ein Menschenbild, das uns als vernünftige Langzeitrechner darstellte, führten zur grössten Blasenbildung der Weltwirtschaft. Dass der wirkliche Mensch von Leidenschaften getrieben ist, von der Nachahmung lebt, unberechenbar, chaosanfällig, trüb und repetitiv ist, wurde aus ideologischen Gründen ignoriert.

Die gesamte bisherige Menschheitsgeschichte ist eine Geschichte der mittleren Geschwindigkeiten gewesen. Die Bildung von Grossreichen hat sich bisher immer in einer Welt von menschlichen Geschwindigkeiten abgespielt. Die Industrialisierung hat die Ortsbeweglichkeit, welche bisher von der Geschwindigkeit der Pferden und der Hochseeschifffahrt bestimmt war, zum ersten Mal revolutioniert.

Mit der Elektronisierung des Weltverkehrs in den letzten dreissig Jahren sind wir in ein Zeitalter der übermenschlichen Geschwindigkeit getreten. Das Internet hat den Raum aufgehoben und die Kapitalströme konnten in einem nicht überschaubaren Netzwerk frei floaten. Auf diesen zweiten Wildwuchs, auf diesen zweiten Jungle, auf diese zweite Externalität, welche die Digitalisierung hervorgebracht hat, konnten die digitalen Immigranten nicht vorbereitet sein.

Der Grössenwahn ist aus den Personen ausgewandert und in das System selber externalisiert worden. Der Kartenhauscharakter unserer Weltkonstruktion verstärkte sich, das System wurde verrückter als die Menschen selbst, und Playboys und Prayboys verzockten darin in einem unglaublichen Spieltrieb, auf ihrer märchenhaften Schatzsuche, in ihrem Traum vom leistungslosen Einkommen Billionen von Dollars.

Ein Ziel von New Ecology ist es, diese unmenschlichen, wahnsinnigen Geschwindigkeiten des technologischen Zeitalters nachhaltiger in das zivilisatorische Treibhaus zu integrieren.

Die jungen Digital Natives dürfen sich nicht mehr länger in diesem elektronischen Labyrinth verirren. Häppchenjournalismus und MTV Schnitte führen ins Abseits. Wenn sie vielleicht auch mal ihre Eltern, andere überforderte digitale Immigranten oder gar digitalen Flüchtlinge bei der Migration in die digitale Welt unterstützen würden, könnten sich unerwartete Win-Win-Situationen ergeben..

Dass diese Brücke zwischen Generationen gebaut werden kann, bedingt es allerdings eine Entschleunigung des Tempos in unserer multioptionalen, crossmedialen Informations- und Mediengesellschaft.

PS: Eines der wenigen Bücher, das ich an der Kantonsschule Zug zu Ende gelesen habe, war das Werk von Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit.

So, was ist nun die Keimzelle der Gesellschaft? Die Pädagogik, die Medien oder doch die Familie?

Your FRIEND and HUMBLE narrator.

to be continued...

Montag, 1. Dezember 2008

Thanksgiving in Santo Domingo

Ich habe kürzlich folgendes SMS aus New York erhalten, von Yaheira, einer Lehrerin für drop outs  und Schauspielerin aus der dominikanischen Republik. "Wishing you a dominican thanks giving. Music so loud you can't talk over it, screw the table, hold your plate as you dance, have a blast. Eat like a fat bastard, get drunk, get in a fight, cry and tell everyone you love them, say sorry, while you have drunken seconds. Pass out. Wake up in the middle of the night and do it all over again. Have a fun, loving thanks giving. Love ya. J"

Wie grossartig, dass die Welt so reich ist an unterschiedlichen Menschen, Kulturen und Sprachen. Es gibt noch so viel zu entdecken. Zum Beispiel die Sprache als Energiequelle.