Sonntag, 30. November 2008

Leben wie im Mittelalter



Technology bashing ist Teil unserer täglichen Konversation. Die Hauptsorge ist der gläserne Konsument, die Möglichkeit, mittels Search Engines und Kundenkarten alles über ein Individuum zu erfahren, zu erfassen, zu verknüpfen und auszuwerten, um ihn dann gezielt übervorteilen zu können. Weitere Kritikpunkte sind; das Handy, e-mail, die steigende Mobilität, der Klatsch der Gratiszeitungen, die Oberflächlichkeit des Fernsehens. 


Dabei vergessen wir eines. All dieser technologische Aufwand erlaubt uns trotz grösserer Distanzen so zu leben, wie in einer engen mittelalterlichen Stadt, wo Jeder Jeden kannte. Wo man innerhalb von 20 Minuten seine ganze Community besuchen konnte. Wo man am Dorfbrunnen oder beim Kirchgang erfahren konnte, wer wann wen getroffen hatte. Der Schlachter wusste genau, wie der Schmied sein Kalb geschlachtet, zerlegt und verpackt haben wollte und konnte ihm gezielt und unaufgefordert weitere Angebote machen. Die Preise waren in Realtime vergleichbar. Der Pferdehändler wusste in Realtime welcher Schmied am meisten Value for Money bot und der beste Dating Service war der wöchentliche Gottesdienst und die Kirchenfresken standen für digital TV von Cablecom.

Willkommen im Mittelalter.

Samstag, 29. November 2008

Crash oder Achterbahn?

Gestern habe ich in der Bar den Chef eines Zürcher Limousine Service getroffen, beim Apéro mit seinen Fahrern. Wenn die Fahrer in der Bar sitzen, statt im Auto, ist dies ein erstes Zeichen dafür, dass das Businessklima sich abkühlt.

Ein Tourist aus Schweden hat mir erzählt, dass bei Volvo nun in einer Zeiteinheit statt 20 LKW Bestellungen nur eine eingeht. Die Migros hat meinem 16-jährigen Sohn eine Absage für einen Ferienjob erteilt, mit der Begründung, dass sie bereits jetzt monatlich 1000 Bewerbungen ablehnen müssten.
Die Finanzkrise reckt ihre Arme jetzt auf die Realwirtschaft aus.

Nur die Werbung bleibt freudig erregt mit der Erwartung, dass die Leute im Lichte schlechter Nachrichten vermehrt ihr Glück im Konsum suchen werden. Dabei überlegen sich die Leute heute zweimal, ob sie sich zu Weihnachten den neuen Flachbildschirm leisten wollen und verschieben den Kauf des Porsches auf das Jahr 2015. 
Ist dies nun der grosse Crash oder einfach die Achterbahn des Lebens, wo jeder Abschwung die Energie zum Aufschwung enthält: die Chance für einen Neubeginn, die Möglichkeit für neue Geschäftsideen, neue Produkte und Services, die Möglichkeit sich selbständig zu machen, neue Beziehungen zu knüpfen, kreativ und schöpferisch zu sein?


Neues Denken ist gefragt. Die Banken brauchen neue Aussagen. Der Slogan der UBS, "you and us" wurde ad absurdum geführt. Die Automobilindustrie hat nicht nur ein Model Problem, sondern ist auch im Erklärungsnotstand hinsichtlich des Klimawandels. Im Detailhandel wird der Akzent wieder auf echte Werte gelegt, statt auf Images. Die Antwort heisst nicht "mehr" sondern besser, innovativer, mehr dem Zeitgeist entsprechend. 

Donnerstag, 27. November 2008

Der Datenwahn

Das Informations Zeitalter überschwemmt uns täglich mit einer erschöpfenden Fülle von Daten in Realtime. Wir erheben und messen alles mit immer komplexeren Modellen. Das alles gibt uns den Glauben, präzisere Prognosen zu erstellen. Nichts entgeht uns. Akribisch erfassen wir jedes Rippeln und Kräuseln auf der Wasseroberfläche, jede Temperaturschwankung, jede Windänderung und erkennen nicht, dass sich vielleicht unter der Oberfläche ein Beben abzeichnet. Wir verhalten uns so, als ob die Menge von Daten mit der Menge an Wahrheit korrelieren würde. Dabei schafft sie nur eine Wahrnehmung und Illusion von Sicherheit. 
Es wurden noch kaum je so viele Zeitungen gelesen wie heute. Die Menge von Gratiszeitungen gibt uns das Gefühl zu wissen, was sich in der Welt abspielt, dabei beobachten wir nur gerade das seichte Kräuseln des Wassers an der Oberfläche. Und wir erleben nicht mehr die Freude, die es bringt, Geschichten und Menschen wirklich zu entdecken, Hintergründe zu enthüllen, in einer vertieften Auseinandersetzung, im Austausch und Gespräch, im Kennenlernen von Menschen und ihren Erfahrungen. 

Mittwoch, 26. November 2008

Kreativität als die nachhaltigste Energiequelle


Mehr Konsum, mehr Dinge, mehr Entertainment, mehr Mode. Dieses "Mehr"  ist der Antrieb der Old Economy. Ich möchte dies nicht verteufeln. Zu lange habe ich als Werber von der Sehnsucht nach Objekten und Dingen gelebt. Zu sehr bin ich Teil dieser Konsumwelt. Aber gleichzeitig ist dies auch die Ursache von Krisen und Unzufriedenheit.

In der New Ecology wollen wir noch andere Kräfte mobilisieren, die mehr Freude, mehr Anerkennung, mehr Vergnügen schaffen. Ich denke an die nachhaltigste aller Energiequellen; Die Kreativität. In der Old Economy ist Kreativität Domäne der Künstler und Profis. Ihre Herkunft, ihre Geschichte hat sie diese Fähigkeit perfektionieren lassen. Alle anderen lassen ihre Kreativität häufig verkümmern.

Sie verzichten damit auf  das Vergnügen schöpferisch zu sein. Die gilt auch fürs Geschäftsleben. Wie häufig habe ich Kundensitzungen erlebt, wo man Kreativität delegiert, wie einen Fremdkörper behandelt oder manchmal wie einen Virus, den es gilt in Griff zu kriegen. Auf der anderen Seite habe ich den Power und Erfolg von Unternehmen gesehen, die Kreativität bei ihren eigenen Mitarbeitern fördern, sie in den Prozess einbeziehen,  statt das Schöpferische ausschliesslich an  professionelle Kreative zu delegieren. 

Montag, 24. November 2008

Prolog


Das Interview zwischen Frank A. Meier und Peter Sloterdijk vom 24. Oktober 2008 zum Thema Finanzkrise und das Gespräch mit Stefan Theiler über die Folgen der Krise hat uns dazu bewogen, unsere Gedanken einer grösseren Gruppe zugänglich zu machen Zudem habe ich heute mein Portfolio augeflöst und den Verlust realisiert.

Die Finanzkrise bringt unsere Hoffnungen auf eine Welt, die immer mehr bietet: mehr Unterhaltung, mehr Mobilität, mehr Kommunikation, mehr Aesthetik, mehr Geld, mehr Sicherheit, mehr Ferien, mehr Sex, mehr und vielfältigere Gaumenfreuden, mehr Mode, mehr Freizeitaktivitäten, mehr Jobmöglichkeiten, ins Wanken. Dieses "Mehr" ist nun plötzlich in Frage gestellt. Doch was tritt an Stelle dieses "Mehrs"?
Das Nichts?


Die Finanzkrise ist einer der vielen Momente, wo unser antrainiertes Lebensbild ins Wanken gerät, in unterschiedlicher Ausprägung, je nach Charakter und Persönlichkeit und Eingliederung in der Gesellschaft. Die Reaktion auf diese Momente ist meist eine des Schocks, die Angst etwas zu verlieren, unsere Existenz, die wir unter Verzicht aufgebaut haben. Häufig ist es allerdings die Angst etwas zu verlieren, das wir nie besessen haben, etwas das noch Illusion ist, die Illusion des "Mehrs". Wir verhalten uns als ob es dieses "Mehr" wirklich gäbe, quasi als Realität, und vergessen, dass es manchmal bloss eine Illusion ist.