Mittwoch, 15. April 2009

Life is what's happening, while you are busy making other plans.
















Die Familien Besuchov, Rostow und Bolkonski unterscheiden sich kaum von irgendeiner wohlhabenden Familie am Zürichberg, den Diplomatenvierteln von Bern oder an den Ufern des Genfersees. Dieselben Probleme: Geld, Kinder, Karriere, Liebschaften und dieselben Freuden: Geld, Kinder, Karriere, Liebschaften. Gefühle und Emotionen werden allerdings verstärkt durch die offene Aggression von einer Armee von 800‘000 Mann, die sich von Oesterreich nach Moskau wälzt.

Ich lese Krieg und Frieden nun zum dritten Mal, immer noch mit derselben Verbundenheit, wie beim ersten Mal. Natascha, Pierre, Andrej, Marja und Nikolaj stehen mir unterdessen ebenso nahe wie einige meiner engen Freunde. Sie haben ihren Platz in meinem Leben, und ich beobachte mich, wie ich manchmal im Laufe des Tages an Prinz Andrej denke oder Natascha und mich frage, wie es ihnen wohl geht und ob sie schlussendlich noch den Weg zueinander finden werden. Manchmal wünsche ich mir, Pierre würde sich zu mir an den Tisch setzen und sagen, Kurt lass uns gemeinsam etwas tun gegen Obrighörigkeit, Ignoranz, Armut und Krankheit in meinen Dörfern.

Was schafft diese Nähe? Was ist es, dass ich den Rostows und Besuchovs in meinem Leben so viel Platz einräume?

Es ist die Offenheit, mit der uns Tolstoi am Leben dieser Menschen teilhaben lässt, an den Parties und Freuden, aber auch an den Schicksalsschlägen, die innerhalb eines Augenaufschlages Freude in Leid verwandelt und dann wieder Hoffnung in Glück, nur um wieder in Wut und Trauer umzuschlagen. Da gibt es keine Imageberater, kein gut dastehen wollen oder Angst Ansehen und Status zu verlieren, wenn das Leben eine überraschende Wende bringt. Und die Wende kommt bestimmt. Was sagte John Lennon? Life is what‘s happening, while you are busy making other plans.


Think

1 Kommentar:

isabelle hat gesagt…

the first good news is: life is happening anyway. the second news is: unser Leben hat eine tolstoïsche Dimension: immerhin. Frage ist natürlich , ob dies eine gute Nachricht ist, wenn wir wissen , dass Sofja Tolstoja sich über die toltoïsche Dimension recht kritisch geäussert hat. Die wirklich gute Nachricht könnte aber sein, dass trotz Revolutionen, Kriege (die grossen und die kleinen) Krisen (die vergangenen und die jetzigen) die wichtigen Probleme bleiben anscheinend die gleichen: das Leben in seinem Alltag. Und vielleicht ist es tatsächlich die gute Nachricht: Es könnte ja sein , dass was wir im Kleinen Rahmen erreichen, uns den Weg für die grossen Probleme zeigt.