Dienstag, 26. Mai 2009
Ein ganz gewöhnlicher Dienstag.
Die Erde hat seit ihrer Entstehung Hunderte von Milliarden von Umdrehungen gemacht, jede siebte an einem Dienstag. Es wird erwartet, dass sich dieses Ereignis noch Milliarden von Malen wiederholen wird. Nichts Besonderes also.
Wohl um die 250 Tausend Menschen haben heute morgen in Zürich HB den Zug bestiegen, davon etwa 130 Personen den Zug um 08.04 nach Lausanne. 25 Menschen sind in Aarau ausgestiegen und einer hat den Anschlusszug nach Däniken genommen, um 08.40. Das war ich. Ich bin etwas Besonderes. Obwohl die meisten Dinge, die ich tue völlig belanglos sind. Ich schlafe, ich fahre zur Arbeit, ich esse, ich schaue fern, ich höre Radio, lese gelegentlich die NZZ und manchmal 20 Minuten, gehe ins Kino, selten ins Theater. Ich lese. Ich mach Wintersport und Städtereisen. Ich spreche mit anderen Leuten, wie Millionen von anderen Menschen auch.
Und dennoch denke ich, dass ich ein besonderer Mensch bin. Ich bin Werber. Ich hab ein Segelboot auf dem Zürichsee. Meine Frau kommt aus Paris und ich habe sowohl einen Schweizer Pass als auch einen Französischen. Ich bin Präsident einer gemeinnützigen Stiftung. Ich schreibe einen Blog. Ich habe eine Firma gegründet.
Dies alles steht in meinem CV und in meinem Profil. Die Dinge also, die mich von der Masse abheben, obwohl sie nicht im Geringsten das beschreiben, was ich die meiste Zeit auch tatsächlich tue.
Wir hassen den Gedanken daran, gewöhnlich zu sein und lesen deshalb „20 Minuten“. Sie weckt die Illusion, dass dieser heutige Dienstag ein ganz spezieller Tag ist und dass wir alle auserkoren sind, irgendwann einmal Hauptdarsteller einer grossen Inszenierung zu sein, mit Schlagzeilen wie: Teenager: pro Tag 100 sexuelle Uebergriffe. Mister Schweiz: André ist schon erfolgreicher als Renzo. French Open: Federers Spaziergang in die 2. Runde.
Wie schön, dass es „20 Minuten“ gibt. Wir sind etwas Besonderes und heute ist ein ganz besonderer Dienstag.
Mittwoch, 20. Mai 2009
Lilly Blümlein
Ich war gestern dabei, das Interview mit der Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi vorzubereiten, das Dr. Strangelove und ich in der Sommersession rund um die These vom Werber und Chairman der EURO/RSCG Gruppe Jaques Séguela führen, der sagt: das Dritte Jahrtausend ist das Jahrtausend der Frau oder es gibt kein Drittes Jahrtausend, als Lilly Blümlein, meine Büronachbarin hereinkommt.
Sie hat vor 2 Jahren ein Beratungsbüro für Geschäftsreisende gegründet und führt heute 7 junge Mitarbeiterinnen und einen Mitarbeiter. Lilly ist eine attraktive und gewinnende Frau, um die Dreissig, mit einem strahlenden Lachen und Interessen, die weit über‘s Reisen hinausgehen. Sie hat mich gebeten, einen Brief an CEOs von Schweizer Unternehmen dramaturgisch zu inszenieren. Ich nenne das: sex-it-up.
Gestockt habe ich dann, als ich den Abschluss des Briefes las. Bei Fragen wenden Sie sich an unsere Sachbearbeiterin Lilly Blümlein. Mit freundlichen Grüssen, Luz Rottweiler, Geschäftsführer.
„Aber Lilly, wer ist denn der Rottweiler“?
„Ah, weisst du, das mach ich immer so, bei wichtigen Briefen. Die Schweizer CEO‘s sind irritiert, wenn sie von einer Frau beraten werden. Aus diesem Grund lasse ich wichtige Briefe von meinem IT Supporter unterzeichnen. Mir fällt kein Stein aus der Krone. Und glaube mir, es funktioniert besser so. Mir gehts um‘s Geschäft, nicht um‘s Ego“.
Ich habe an Séguela gedacht und angefangen, mir Sorgen um das Dritte Jahrtausend zu machen. Dann allerdings kam ich wieder zu mir: Das Dritte Jahrtausend hat ja erst gerade angefangen. Das Beste kommt wohl erst noch.
Dienstag, 12. Mai 2009
Gewalt im Heidiland.
Die Bahnstation von Grüsch könnte ohne viel Brimborium als Kulisse für einen Heidifilm herhalten: Idylle pur, der kleine Bahnhof, eine Barriere, im Hintergrund die Bündnerberge. Der Bahnhof von Grüsch ist auch der Treffpunkt der Jugendlichen. Sonst gibt es hier nichts. Kein Kino, keinen DVD Shop, keine Disko, dafür 2 Coiffeure mit Salon im Wohnzimmer, 2 Beizen und ein Café für Senioren.
Manchmal, wenn man mit dem Auto durchfährt, zieht ein stechender Haschgeruch ins Auto. Die Jugendlichen in Grüsch unterscheiden sich in Nichts von Jugendlichen aus Zürich, ausser so scheint es mir, dass sie in der Oeffentlichkeit mehr kiffen und mehr rauchen. Letzten Samstag taumelte ich wieder einmal etwas verträumt aus dem roten Züglein in Grüsch und wähnte ich mich gleich in einer Filmszene zur Westside Story, allerdings ohne den Charme, ohne die schönen und durchtrainierten Körper von Dutzenden von professionellen Tänzern und Ballerinas. Wäre ein Messer im Spiel gewesen, hätte es in Grüsch Tote gegeben. Protagonisten des Spektakels waren ein Einheimischer, der ohne Aufhebens 10 Laibe Käse hätte hochstemmen können und ein Skelett aus Kosovo. Der Käser war nach wenigen harten Faustschlägen ein Häufchen Elend und seine Freunde verfrachteten ihn in seinen aufgemotzten Mazda, in den er sich fluchend aber erleichtert schieben liess, während sein Gegner den Sieg mit einer fetten Tüte roten Libanesen feierte.
Solche Geschichten habe ich häufig gehört, bis jetzt aber nie selber erlebt. Meist passiert das auf dem Land, wo Gangs von Osteuropäern die lokalen Jugendlichen drangsalieren. Will man diese Schläger bei sich in der Klasse haben? Natürlich nicht. Es wäre aber gerade die Schule und eine Vision im Leben, welche sinnlose Gewalt verhindern könnte.
An einer Tagung der Jacobs Foundation zum Thema Jugend und Migration ist man der Frage des Bildungsstandes von Einwanderen nachgegangen, in einem weltweiten Vergleich. Es wird klar, dass Kanada gemäss Pisa Studie nicht bloss eines der besten Schulsysteme hat, sondern dass es auch gelingt, die Schulleistung vom soziodemografischen Hintergrund unabhängig zu machen, wo also Ausländerkinder bessere Chancen zur Integration und zum Erfolg haben als in anderen Ländern. In der Schweiz stehen wir da im Hintertreffen.Die schulische Leistung hängt vom Herkunftsland ab. Kinder aus Deutschland und Nordeuropa weisen teilweise bessere Leistungen als Schweizer Kinder aus, während Schüler aus Südeuropa meist schlechtere Leistungen bringen und häufig in Sonder- und Abschlussklassen abgeschoben werden. Wir kennen also eine Form der Segregation einer frühen Auslese, wo man die Schüler schon mit 12, wenn sie noch nicht ausgereift sind, einer Triage unterzieht. Sie bleiben auf der Strecke. Dass es eine Kongruenz gibt zwischen Gewalt und Schulbilding, dafür braucht es wohl keine Forschung der Jacobs Foundation. Ist also Gewalt vorprogrammiert? Mehr darüber in einem nächsten Blog.
Sonntag, 3. Mai 2009
Sieht so eine Bundesrätin aus?
Wenn Evi Allemann ein Lied wäre, sagt sie, so wäre sie: „You can get it if you really want“ von Jimmy Cliff. Tatsächlich. Das passt. Hinter Evi Allemanns feiner Schale steckt ein starker Wille, verbunden mit Charme und intellektueller Prägnanz und ihre Fähigkeit Leute für ihre Überzeugungen zu gewinnen. Hat sie schon alles erreicht? Mit 13 politische Aktivistin mit einem Mädchenstreik im Gymnasium, mit 19 im Berner Grossen Rat und mit 25 für die SP im Nationalrat.
„Nein. Es gibt schon noch ein paar Dinge, die ich mir heimlich wünsche“. Ein hohes politisches Amt vielleicht? Bundesrätin? Eine Weltumsegelung? Ein erfülltes Familienleben? In Tansania ein Kinderheim eröffnen? Sie hat es uns nicht anvertraut. Für uns gibt aber es keinen Zweifel, auf dem politischen Parket kann sie alles erreichen. If she really wants.
Es liegt schon an der Art, wie sie Heimat definiert. „Heimat ist für mich an keinen fixen Ort gebunden. Sondern ist überall dort anzutreffen, wo ich Lust empfinde meinen Lebensraum so zu gestalten, so dass er meinen Vorstellungen und Wünschen entspricht. Heimat bedeutet für mich nicht ausruhen, sondern ganz im Gegenteil mit Engagement und Zielstrebigkeit Dinge zu verändern, die mich stören.
Ganz klar, une femme politique. Sie trägt die Heimat in sich.
Glaubt sie an die These von Jacques Séguéla, dem französischen Starwerber und Berater von François Mitterrand der sagte, das 3. Jahrtausend ist das Jahrtausend der Frau oder es gibt kein 3. Jahrtausend. Evi Allemann hält nicht viel von solchen Schlagworten. „Schauen Sie, wir stehen ja erst an der Schwelle zum 3. Jahrtausend. Lassen Sie uns erst einmal die dringenden Fragen der Gleichstellung lösen. Frauen sind immer noch schlechter bezahlt als Männer. Der Anteil des deuxième sexe stagniert in der Politik bei 25 Prozent und auch an den Unis ist die Zahl der Professorinnen verschwindend klein.
Ganz abgesehen davon, ist weniger das Geschlecht bestimmend über das Verhalten in bestimmten Fragen, als die Sozialisierung. Eine Frau an der Spitze einer globalen Grossbank hätte nicht unbedingt bessere Entscheidungen gefällt als ein Mann, hätte sie dieselben Eliteschulen besucht und Business Networks.
Für gute Entscheidung braucht es Vielfalt, auch in der geschlechtlichen Frage.
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Dassault/MTV,
Session mit Dr. Strangelove
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