Mich begleitet eine lebenslange Faszination für die Entdecker dieser Welt; für Pytheas, Columbus, Marco Polo, Vasco da Gama, Shackleton, Cook, Amundsen, Scott, Edmund Hillary, Humboldt, die 3 Generationen Piccard. Sie sind meine Helden und Vorbilder. Ich war begeistert von ihren Berichten. Gleichzeitig aber hat mich beim Lesen immer ein Gefühl des Bedauerns befallen. Darüber, dass es auf der Erde keinen einzigen Flecken mehr gibt, der nicht in Besitz genommen wurde. Jede Ecke wurde kartografiert, beschrieben, erstiegen, fotografiert.
Heute sass ich im Zug und dachte an die entschlüsselten Mysterien unserer Erde und daran wie bitter es ist dass es mir nicht erlaubt war mehr über andere Kulturen, Menschen und ihre Geschichten zu erfahren. Wie ich so nachsinne, fragt ein älterer dunkelhäutiger Mann, ob noch ein Platz frei sei. Eine Frau rückt widerwillig zur Seite und auch ich zögere bevor ich meine Taschen abräume. Ich weiss nicht mehr, wie wir ins Gespräch gekommen sind. Bald aber erzähle ich von der Schweiz mit ihren 4 Sprachen, dem Röstigraben und dem besonderen Status der Schweiz in der internationalen Staatengemeinschaft.
Siri ist Software Ingenieur aus Hyderabad. Die Temperatur kann dort bis auf 50 Grad steigen. Sauberes Wasser ist rar und für viele der 6 Millionen Einwohner kaum verfügbar. Er erzählt mir von seiner arrangierten Heirat, dass er seit seiner Scheidung sehr unglücklich ist, vor allem weil er seine Kinder kaum mehr sieht. Sein Sohn arbeitet in New York bei IBM und seine Tochter als Aerztin in Kanada. Er erzählt mir, dass er nicht weiss, wie Fleisch schmeckt. Dass Indien 21 Amtssprachen hat und sich aus 600 Stämmen zusammensetzt und dass das pro Kopf Einkommen trotz enormem wirtschaftlichen Erfolg bloss 800 Dollar beträgt.
Und wie ich so zuhöre denke ich welch ein Irrtum es war zu glauben, dass es in der Schweiz nichts mehr zu entdecken gibt. Ich habe meines Wissens noch nie mit einem Muslim gesprochen. Ich kenne keine Superreichen, keinen Bankier, der in der Finanzkrise sein Vermögen verloren hat. Ich kenne Niemanden der im Gefängnis gesessen ist. Ich weiss nicht, wie es sich anfühlt, wegen seiner politischen oder religiösen Ansichten verfolgt zu werden. Ich kenne niemanden der Kamasutra praktiziert oder Exorzismus. Ich kenne keinen orthodoxen Juden. Und dennoch gibt es all diese Leute und Praktiken in unserer nächsten Umgebung in der Schweiz.
Ja es ist wahr. Die Schweiz ist so ein sehr reiches Land.
Donnerstag, 4. Dezember 2008
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2 Kommentare:
DAS FERNE LIEGT SO NAHE
Wir suchen oft in der Weite, was ganz nahe bei uns wäre. Vielleicht empfinden wir sogar als fremd, was verwandt ist.
In welcher Kultur sie auch leben, alle Menschen auf dieser Planete sind Menschen. Das Menschsein haben wir gemeinsam. Es liegt nicht mal an der Sprache, ob wir uns verstehen oder nicht, weil wir auch Menschen aus unserer Kultur und unserem eigenen Sprachbereich manchmal nur mühsam verstehen. Was braucht es, das wir uns auf die Entdeckungsreise zu den Anderen begeben können? Ein offenes Ohr, offene Augen und ein offenes Herz. Grundsätzliches Vertrauen. Vertrauen in der Güte der Menschen?
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