Sonntag, 7. Dezember 2008

Die Mauer muss weg


Ken Livingstone, ex-Bürgermeister von London gilt als einer der bedeutendsten Förderer des kreativen Londons. Er hat als einer der Ersten die Bedeutung von Kreativität als Wirtschaftsfaktor erkannt und so dem kreativen Boom zu mehr Nachhaltigkeit verholfen. Als Ursache und Antrieb von Kreativität hat er die kulturelle Vielfalt von London erkannt.
„The core of our cultural and social policy for the last eight years has been clear and simple – whatever our origins, whatever we want to do with our lives, whatever music we like or what we want to eat, we are all Londoners. Whatever our backgrounds –old or young, Christian, Hindu, Jew, Muslim, British, Asian, African, male or female, straight or gay – there is a great sense of being Londoners.“ Heute gilt London als kreatives Mekka für eine ganze Reihe von Branchen, die Musikindustrie, die Filmindustrie, die Werbung, die Mode, ja selbst die Gastronomie.

Die Schweiz hat ebenfalls ein gewaltiges Potential an kultureller Vielfalt. Doch es ist nicht gelungen, dieses Potential wirkungsvoll in kreative Energie umzuwandeln und als Wirtschaftsfaktor zu nutzen. Die Schweiz steht für Perfektion, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Fleiss, Sorgfalt, Geld. Diese Werte gelten geradezu als Bauplan für unsere Lebens- und Verhaltensweise. Sie bilden die Grundlage für Politik und Erziehung. Im Einklang und in Wechselwirkung damit ist unser Wirtschaftsgebilde entstanden; die Banken, die Maschinenindustrie, Pharmaunternehmen, Uhrenindustrie.
Woher kommt es, dass trotz der besten Talente und guter Voraussetzungen der kreative Boden in der Schweiz so steinig ist? Fehlt uns ein Ken Livingstone? Was wäre, wenn charismatische Menschen wie Christoph Blocher sich statt für Ausgrenzung für kulturelle Dynamik stark machen würden, für Kreativität und Kunst. Oder noch besser, wenn eine breite Bewegung entstünde, die wie 1989 in Deutschland die Mauer zum Einsturz brachte.

Dann würde die Schweiz vielleicht zum Zentrum für Mode und Design statt nur gerade Produktionsstandort für erstklassige Qualitätstextilien. Dann wäre die Schweiz vielleicht ein internationaler Entwicklungsstandort für Werbung und würde im gleichen Atemzug genannt, wie London, Hamburg und New York. Dann hätten wir eine Filmindustrie, die international Zeichen setzen würde.

Ist dies möglich? Kein Zweifel, aber es braucht etwas Zeit und Ausdauer und Leute die sich dafür engagieren. Kultur und Kreativität darf nicht mehr nur das Anliegen einiger weniger Institutionen sein, wie der Kulturförderung. New-Ecology stellt sich in den Dienst einer Bewegung, bei der es darum geht, neue Energiequellen zu erschliessen. Und die grösste nachhaltige Energiequelle ist nun mal die Kreativität. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir die kulturelle Vielfalt nutzen, statt sie einzudämmen. Wir haben uns einiges Vorgenommen. Die Mauer muss weg – dafür engagieren wir uns. Dafür setzen wir uns ein.

2 Kommentare:

rolf hat gesagt…

Natürlich ist ALLES möglich, gar alles. Die Schweiz könnte auch Formel 1-Rennen durchführen oder ein Weltraumzentrum einrichten oder die Scientology als Staatsreligion einführen. Nur: Warum sollen wir ALLES wollen müssen? Die ostasiatische Philosophie lehrt, im Einklang mit dem zu leben, was und wie wir sind. Das schafft Erlösung. Wie London oder New York oder Hamburg sein wollen, wenn der Weg anders geht, empfinde ich als Gier. Wobei wir bei der ersten Hauptursache der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation angelangt sind. Nicht wie London oder New York oder Hamburg sein wollen, wenn dies unser Weg wäre, empfände ich als Dummheit. Wobei wir bei der zweiten Hauptursache der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation angelangt sind.
Dietrich Bonhoefer meinte einmal, aus dem Widerstand gegen Nazi-Deutschland heraus, die Dummheit sei sogar gefährlicher als die Bosheit. Zitat: "Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse lässt sich protestieren, es lässt sich blossstellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurücklässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos." - Das spätkapitalistische System, dessen Konsequenzen wir zur Zeit spüren, hat mindestens den Keim des Bösen in sich. Ob jene, die sich dessen schamlos bedient haben, nur "dumm" sind. "Gierig" sind sie jedenfalls, doch das sind wir wohl alle in gewissen Bereichen des Lebens.
Zurück zum Thema: Wir sprechen von der Wirtschaftskrise und das Gejammer ist gross. Haben 100'000e von Menschheitsjahren noch nicht gelehrt, dass die allergrösste Krise folgende wäre: Wenn es keine Krise mehr gäbe?
Krisen müssen sein, anders geht es einfach nicht. Sie sind zwar unangenehm, irritieren, beängstigen, desorientieren, verunsichern ... Was aber, wenn der Mensch nichts Unangenehmes mehr erfahren würde? Wenn er nie mehr irritiert wäre, verängstigt, desorientiert, verunsichert? Das wäre gar kein Leben mehr! Das wäre der wahrhaftige Untergang, der echte Super-GAU der Menschheit.
Kommt hinzu: Krisen müssen unbedingt dort sein, wo sich der Mensch sehr sicher fühlt. Dort, wo er sich abstützt. Dort, wo er sein Vertrauen fokussiert. Warum? Damit er immer wieder lernt, sich letztlich in sich selber sicher zu fühlen, sich auf sich selbst zu stützen. Damit er anstelle von Institutions-Vertrauen Selbst-Vertrauen entwickelt.

Kurt Schmid hat gesagt…

danke rolf, du hast Recht zu sagen, wir müssen nicht einfach unbedingt etwas sein wollen was wir nicht sind, wir müssen nicht einfach New York oder London kopieren. Das ist nicht unsere Kultur, das ist nicht unser Weg. Aber es gibt Aspekte daraus, von denen wir lernen können. Das ist Ken Livingstone und seiner Art und Weise die positiven Aspekte einer Stadt bewusst zu fördern. Ein Aspekt der auch in der Schweiz mehr Engagement erfordern würde. Die Kreativität. Das Schöpferische in all seinen Formen