Sonntag, 4. Januar 2009

Zeitgeist


Robert Salis , 32, Vorsorgeberater bei der Zürich, ungebunden, in between, caught in the middle.


Er ist bei seinen Kollegen für seine gute Laune und für seine Vorliebe für geile Parties bekannt. Das ist bei Facebook und auch Tillate gut dokumentiert. An den Wochenenden geht er kaum vor 4 Uhr morgens in Bett. Dafür schläft er dann am Sonntag bis in den Nachmittag hinein.

Doch seit dem Herbst 2008 wird er von Alpträumen gequält, wacht mitten in der Nacht auf und kann dann nicht mehr einschlafen. Gelegentlich steckt er sich eine Philipp Morris an, obwohl er sich geschworen hat, endlich mit diesem Scheiss aufzuhören. Es liegt nicht nur daran, dass er bei Swissquote 40'000 Franken verloren hat, mehr als 60% seiner Ersparnisse, die er eigentlich als Anzahlung für seinen VW Touareg oder allenfalls einen Porsche Carrerea nutzen wollte. Ersparnisse ist vielleicht der falsche Begriff. Von seinem monatlichen Lohn von 7200 Franken bleiben nichts als Krümel übrig und sein Kreditkartenkonto ist bis an die Grenze ausgereizt. Das Geld stammt aus einer kleiner Hinterlassenschaft seiner Grossmutter und von einem Bonus, den er 2007 dafür erhalten hat, dass er seinen Götti davon überzeugen konnte, mit seinem Unternehmen zur Zürich zu wechseln.

Es ist ein allgemeines Gefühl der Unsicherheit und der Angst, das ihn nachts überfällt. Die Tatsache, dass die UBS und ihr Macher Ospel an die Wand gefahren wurden hat sein Weltbild, in dem alles immer besser wird, wo die cleveren und smarten, die schnelleren und mutigeren gewinnen zum Einsturz gebracht.

Ja natürlich. Es ist schon mal so eine Ikone untergegangen, die Swissair. Sein Vater hat damals ebenfalls fast alles verloren. Auch damals kam dieses Gefühl der Unsicherheit auf, der Enge, und Zweifel an der Kompetenz einer McKinsey, oder eines Mühleman von der Credit Suisse und Ospel. Den Mühleman hats zwar verscherbelt. Aber der Ospel und auch die McKinsey haben sich dann dem Schlamassel entzogen. Und der Swiss geht’s heute blendend. Alles ist also möglich.
Man muss nur kaltschnäuzig genug sein. Und dann das jetzige Debakel.

Doch wenn’s der Ospel nicht schafft, wie soll er es schaffen. Mit seinen Kollegen spricht er nicht drüber. Sie sind zu sehr mit sich selber beschäftigt und er will nicht den Eindruck erwecken, dass er ein Weichei ist. Doch er macht sich schon Sorgen, ob die Zürich nicht auch bald Leute abbauen wird, wie die Versicherungen und Banken in den USA und dann ist endgültig vorbei mit seinem Traum vom Porsche, seiner Rolex und Anzügen von Armani. Scheisse, sagt er sich und fragt sich, ob es sich unter diesen Umständen noch lohnt sich ein Bein auszureissen, wo’s doch eh keine Rolle mehr spielt. Er empfindet das als so ungerecht. Er hat doch erst gerade angefangen. Es hat doch alles so gut angefangen, und er ist noch nirgendwo angekommen und jetzt das. Er fühlt sich wie in der Mitte gefangen.

1 Kommentar:

rolf hat gesagt…

Ich kenne eine 95jährige Frau. Sie war zeitlebens Magd, Zimmermädchen, Haushaltshilfe usw. Sie ist überzeugt, ein wunderbares Leben gelebt zu haben und ist dafür dankbar. Es gibt viele Menschen, die sie sehr gern haben und per Telefon oder Brief den Kontakt mit ihr pflegen.
Kürzlich hatte ich eine Scheisslaune. Das Übliche: Der Job, die Familie, sogar der Hund; - niemand funktionierte, wie ich es in diesem Moment gebraucht hätte. Der Zufall wollte es, dass ich grad mal bei dieser Frau vorbeischaute. Als ich sie nach einer halben Stunde verliess, war die Welt wieder in Ordnung und ich hatte blendende Laune.
Nur eines bereitet dieser Frau ein bisschen Sorgen: Dass sie einfach noch nicht sterben kann. Dabei wäre es wirklich an der Zeit. Ich sage ihr dann manchmal, dass sie halt wohl noch etwas Geduld üben müsse. Na ja ... Sie hat offensichtlich nicht die Erwartung, dass ich mit ihrem Problem kompetenter umgehe.